Foto: vhs von links nach rechts: Professor Dr. Hans-Werner Wahl, Dr. Cristina Ricca, Sonja Kühn und Jürgen Weiss (Stadtseniorenrat), Dr. Andreas Marg (Leben mit Demenz) und Dr. Traute Schneider vom Stiftungsrat der Bürgerstiftung.
Auf Einladung des Seniorenrats der Stadt Weinheim und der Bürgerstiftung Weinheim war der bekannte Alternsforscher Prof. Dr. Hans-Werner Wahl zu Gast bei uns. Der Vortrag mit dem Titel „Die Stärken der zweiten Lebenshälfte“ stieß auf großes Interesse – der Saal war bis auf den letzten Platz gefüllt. Wahl, emeritierter Professor für Psychologische Alternsforschung an der Universität Heidelberg, gilt als einer der renommiertesten Forscher seines Fachs. In Weinheim spannte er einen eindrucksvollen Bogen von der gestiegenen Lebenserwartung über die Vielfalt des Alterns bis hin zur Bedeutung älterer Menschen als gesellschaftliche Ressource.
Menschen wurden noch nie so alt
„Noch nie in der Geschichte der Menschheit hatten 80-Jährige im Durchschnitt neun weitere Lebensjahre vor sich“, erklärte Wahl. Diese Entwicklung sei ein historisch neues Phänomen – mit Chancen, aber auch Herausforderungen. Denn mit der wachsenden Lebenserwartung gehe eine enorme Heterogenität einher: „Es gibt keine Gruppe, die in ihren Bedürfnissen und Möglichkeiten so unterschiedlich ist wie ältere Menschen.“ Zwischen hochaktiven Seniorinnen und Senioren, die sich engagieren, reisen und Neues lernen, und solchen, die Rückzug und Ruhe suchen, liege ein weites Spektrum. Deshalb, so Wahl, brauche es künftig individuellere Angebote und weniger „Programme von der Stange“. Gemeinden, Bildungseinrichtungen und soziale Organisationen müssten sensibler auf die Vielfalt der Lebensentwürfe im Alter reagieren. „Wir werden nicht mehr mit einheitlichen Konzepten für ‚die Älteren‘ arbeiten können. Das Alter ist so vielfältig wie das Leben selbst.“, sagte Wahl.
Ältere Menschen nehmen nicht nur, sie geben auch
Ein zentrales Anliegen des Heidelberger Forschers ist die Neubewertung des Alterns in der Gesellschaft. Ältere Menschen seien keineswegs nur Empfänger von Unterstützung, sondern aktive Gebende und Gestaltende. „Sie leisten Milliardenbeträge an ihre Kinder und Enkel – nicht nur durch Erbschaften, sondern durch Schenkungen schon zu Lebzeiten. Das ist ein gewaltiger Beitrag zur Generationengerechtigkeit“, betonte Wahl. Zudem zeigten Studien, dass ein positives Selbstbild im Alter entscheidend für Gesundheit und Lebensqualität sei. „Wer an die eigenen Stärken glaubt und sich selbst etwas zutraut, bleibt länger aktiv, geistig fit und sozial eingebunden.“ Dieses Vertrauen in die eigene Wirksamkeit sei, so Wahl, ein wichtiger Schlüssel, um die zweite Lebenshälfte als wertvolle Lebensphase zu begreifen – nicht als Defizit, sondern als Potenzial.
Am Ende seines Vortrags warb Wahl für eine gesellschaftliche Aufwertung dieser Lebensphase: „Die zweite Lebenshälfte ist kein Auslaufmodell, sondern soziales Kapital. Unsere Gesellschaft kann und muss davon profitieren.“, so Professor Wahl abschließend.